Für Autofahrer ist es derzeit wieder angenehmer den Tank zu füllen und auch die heimische Wirtschaft dürfte entlastet werden. Geld steht wieder für den Konsum zur Verfügung. Aber ist die Zeit des Erdöls jetzt ein für alle mal abgelaufen?
Vermutlich nicht, Erdöl ist ein Hauptenergieträger und wird für die Herstellung zahlreicher Produkte verwendet, von Kunststoffen bis Kosmetika und Straßenbelägen. Die Öl-Konzerne standen stark unter Druck und die Aktienkurse haben unter dem niedrigen Preis gelitten. Es bieten sich dem antizyklischen Anleger also gute Chancen.
Der Konzern müsse sich „der neuen Realität niedriger Preise“ anpassen, sagte BP-Vorstand Bob Dudley bei der Vorstellung der Quartalsergebnisse. Und wie BP ergeht es in diesen Tagen vielen großen Ölfirmen.
Das schlimmste überstanden
Es hagelte regelrecht Hiobsbotschaften. In den vergangenen Tagen gaben unter anderem die Schwergewichte BP, Shell, Exxon Mobil sowie zuvor Chevron, ConocoPhillips oder der amerikanische Ölfelddienstleister Schlumberger ihre Geschäftszahlen für das vierte Quartal 2014 bekannt. Schlechte Nachrichten waren zu erwarten, weil der Ölpreis allein in diesen drei Monaten um rund 30 Prozent gefallen war. Dementsprechend finster fielen auch die Prognosen und Gegenmaßnahmen der Ölbranche aus.
Mit den Quartalszahlen sollten jedoch die düsteren Aussichten der Hersteller in den Börsenkursen weitgehend berücksichtigt sein. Zudem waren die gemeldeten Gewinnrückgänge und Prognosen teilweise weniger schlimm, als von Analysten befürchtet, die Kurse zogen bereits wieder deutlich an. Insbesondere für strategische Langfristanleger mit etwas Mut bietet sich somit eine gute Basis für die Suche nach günstigen Kaufgelegenheiten. Einige Ölkonzerne haben nämlich weit mehr zu bieten, als hohe Gewinnmargen in Zeiten des Konjunkturhochs. Profianleger schätzen sie gleich aus mehreren Gründen.
Auch wenn alternative Energiequellen auf dem Vormarsch sind, ist es immer noch das Öl, das auf unserem Planeten für Bewegung sorgt. Der weitaus größte Teil der Fördermenge fließt in die Treibstoffherstellung. Öl ist für Autos, Heizungsanlagen und die Kunststoffhersteller unentbehrlich. Öl ist daher ganz klar ein zyklisches Investment: Zieht die weltweite Konjunktur an, steigt die Nachfrage am Ölmarkt spürbar. Aktien der Ölindustrie zählen daher zu den Klassikern, auf die Profis gern im Konjunkturtief setzen, wenn sie noch günstig sind.
Dividende ist Trumpf
Noch wichtiger – gerade in diesen Niedrigzinszeiten - sind aber die meist hohen Ausschüttungen an Aktionäre. Viele Branchenschwergewichte verwöhnen ihre Aktionäre schon traditionell mit einer hohen, meist jährlich steigenden Dividende, Unternehmen wie Exxon, Chevron, ConocoPhillips oder auch der kanadische Ölsandförderer Suncor Energy zahlen seit mindestens 25 Jahren ihre Dividende. Es gelang ihnen sogar, sie in den meisten Jahren zu erhöhen. Durch die gesunkenen Aktienkurse haben sich die Dividendenrenditen nun schon rechnerisch erhöht, bei einigen Ölkonzernen stieg sie zeitweise bis in den zweistelligen Prozentbereich.
Auch nachdem sich der Ölpreis zuletzt wieder erholt und die Verluste seit Jahresbeginn wieder wettmachen konnte, liegen die Ausschüttungen immer noch häufig oberhalb von fünf Prozent (siehe Chartgalerie). Die meisten Ölriesen haben auch in vergangenen Krisen an einer hohen Ausschüttung an die Aktionäre festgehalten und diese teilweise auch nach Gewinneinbrüchen noch erhöht.
"In einem Jahr rechnen wir mit einem Ölpreis oberhalb von 70 Dollar je Barrel", sagt Eugen Weinberg, Rohstoffexperte bei der Commerzbank. "Die Nachfrage nach Öl wird weiter steigen. Sie tut es bereits jetzt. Der niedrige Ölpreis wird den Absatz von Autos beschleunigen. In den USA stieg die Zahl der zugelassenen Neufahrzeuge im Januar bereits um 14 Prozent. Dabei ist insbesondere der Absatz von Geländewagen gestiegen." Laut Weinberg sei das bereits ein Zeichen dafür, dass die niedrigen Spritpreise in den USA als nachhaltig angesehen werden. Eine ähnliche Markreaktion erwartet er auch für Europa und China.
Auf der anderen Seite dürfte das Ölangebot im gleichen Zeitraum sinken oder zumindest gleich bleiben. Vor allem beim Fracking in den USA sinkt die Fördermenge. "Die Strategie der OPEC scheint aufzugehen. Vom Hoch im Herbst ist die Anzahl aktiver Ölbohrungen in den USA bereits um ein Viertel gesunken. Im Grunde ist der Fracking-Boom schon wieder vorbei", konstatiert der Rohstoffexperte.
Aber auch Weinberg glaubt nicht, dass es in den kommenden zwölf Monaten mit dem Ölpreis nur noch aufwärts geht. "Eine kurzfristige Prognose ist aufgrund der starken Schwankungen viel schwieriger. In einem Monat könnte der Ölpreis bereits wieder unter die 50-Dollar-Marke gesunken sein", so Weinberg.
Da die Aktienkurse gesunken sind, sind die Dividendenrenditen schon rechnerisch gestiegen - sofern die erwartete Dividende auch gezahlt wird. Die Dividende aber ist den Konzernlenkern der Ölindustrie besonders wichtig. Shells Vorstandschef Ben van Beurden sagte: „Die Ausschüttung ist bei Shell Teil der Kultur. Ich werde alles tun, um sie zu schützen.“ Auch Chevron zahlt seit 27 Jahren eine Dividende - und hat sie bislang jedes Jahr ein wenig angehoben. Um sie zu halten, hat Chevron Sparmaßnahmen wie etwa Projektverschiebungen angekündigt.
„Des weiteren können Unternehmen wie Royal Dutch Shell, BP und Total für Anleger mit längerem Atem interessant sein. Sie bilden die ganze Bandbreite der Wertschöpfung ab und zeichnen sich in der Regel durch eine gute Dividendenrendite aus.“
Diese Unternehmen gehören langfristig ins Depot und sichern auch in zinslosen Zeiten - die uns bevorstehen - eine sichere Wertaufbewahrung und Ertragssicherheit.