Mittwoch, 29. Juli 2015

Erdöl - Aus der Geschichte lernen

18:42

Die Ölpreise gaben gestern den vierten Tag in Folge nach und stehen auch heute weiter unter
Abgabedruck. Brentöl fällt am Morgen auf ein 6-Monatstief von 52,3 USD je Barrel. WTI ist mit weniger als 47 USD je Barrel so billig wie zuletzt vor vier Monaten. Fallende Aktienmärkte weltweit sorgten für negative Stimmung unter den Marktteilnehmern. Diese dürften sich auch deshalb weiter von ihren Ölinvestments trennen.

In turbulenten Zeiten wie diesen, könnte es wertvoll sein sich mit der Geschichte des Erdöls zu beschäftigen. Lassen Sie mich damit beginnen Ihnen George Henry Bissell - den Vater der Ölindustrie - vorzustellen. Er experimentierte ab 1853 mit dem neuen "Steinöl" das im Nordwesten Pennsylvanias gefunden wurde. Bissell beauftragte eine $526-Studie, die sich mit der eigenartigen Flüssigkeit beschäftigte und kam zu dem Schluss, dass es zu Kerosin raffiniert werden konnte. Kerosin war zu dieser Zeit stark gefragt für die häusliche Beleuchtung. Seitdem Waltran immer teurer wurde ("Peak-Waltran" hatte sozusagen statt gefunden), bot sich ein lukratives Geschäft in der Herstellung eines günstigen Ersatzstoffes mit ähnlichen Eigenschaften aus dem neu entdeckten Erdöl.

Der Öl-Rausch begann in den 1860er Jahren in der kleinen Stadt Titusville an einer Biegung des Allegheny River. Die Einwohnerzahl schnellte in die Höhe gemeinsam mit den Grundstückspreisen. Ein Vermögen konnte verdient werden. Ein Mann namens Jonathan Watson hatte dabei besonderes Glück, er wurde der erste Erdöl-Millionär. Watson gehörte das Land, auf dem die erste erfolgreiche Quelle angebohrt wurde. Die Vermarktung übernahm die Pennsylvania Rock Oil Company von Bissell.


Es ging immer wieder steil bergauf und steil bergab im Erdölgeschäft, während der 23 Jahre alte John D. Rockefeller - Besitzer eines Lebensmittelladens - dies alles beobachten konnte. Er verkaufte Kerosin in seinem Laden und wechselte in das Raffineriegeschäft, welches später zu Standard Oil ausgebaut werden sollte - eines der größten und einschüchternsten Unternehmen aller Zeiten.

Tatsächlich war es der erste Ölkonzern, der später durch den ambitionierten Populisten John Sherman zerschlagen werden sollte - durch den Sherman Antitrust Act. Dies sollte der Startschuss im Kampf zwischen den Ölkonzernen und der Regierung gewesen sein.

Standard Oil wurde in Stücke zerschlagen, allerdings nicht bevor John D. Rockefeller der reichste Mann der Welt werden konnte - mit einem Vermögen von einer halben Billione Dollar (heutiger Kaufkraft) - viel mehr als Bill Gates, Warren Buffet oder irgend ein anderer Milliardär heute offiziell besitzt. Nicht schlecht für einen jungen Lebensmittelhändler könnte man meinen.


Das Öl-Business

Ich habe mich verstärkt mit der Öl-Industrie beschäftigt, da der Preis ordentlich abgestürzt ist. Es gibt ein Unternehmen in das ich investiert habe aber im Großen und Ganzen war mir der Seitenstreifen lieber - vor allem wenn man mit ansieht wie die verschuldeten Unternehmen immer weiter in Schwierigkeiten geraten und ihr Cashflow austrocknet. Vieler dieser Unternehmen sind wandelnde Leichen, die mit Sicherheit pleite gehen werden, wenn die Gewinn einbrechen, Margen kleiner werden oder die Fixkosten immer größere Summen auffressen.

Ich denke das Öl-Business ist ziemlich interessant und es ist eine der klassisch zyklischen Industrien überhaupt.

Soros sagte einmal in Hinblick auf den Ölpreis in seinem "Echtzeit-Experiment" 1985:

Die Angebotskurve ist invertiert. Die meisten Produzenten müssen eine gewisse Summe Einnahmen generieren; wenn die Preise fallen, werden sie versuchen mehr zu fördern und mehr zu verkaufen, bis der Preis unter den Punkt fällt an dem die kostenintensiven Produzenten höhere Produktionskosten haben als der Verkauf einbringt. Viele von ihnen werden nicht mehr in der Lage sein ihre Darlehen zu bedienen.
 Je mehr sich die Dinge verändern, desto mehr bleiben sie doch die gleichen. 1985 wurden die Saudis enttäuscht, als ihre Kürzung in der Produktion nicht den gewünschten Effekt hatte, den sie sich vorgestellt hatten (was ein höherer Ölpreis war). Dies verführte sie dazu sich statt auf den Preis auf den Marktanteil zu konzentrieren. Im Dezember 1985 schockierte die OPEC die Welt mit der formellen Ankündigung die Marktanteile einzufrieren ( beibehalten oder erhöhen von Produktionsmengen). Der Ölpreis korrigierte um 50% über die nächsten 6 Monate von $30 auf $15 pro Barrel.



Dieser Preisverfall von 1986 war ganz ähnlich der Ereignisse, die sich seit November 2014 entfaltet haben, als die OPEC einmal mehr angekündigt hatte die Produktionsmenge beizubehalten um die kostenintensiven Produktionsstandorte in den USA aus dem Markt zu drängen.

Sowohl 1985 als auch 2014, trotzten die Produzenten jeglicher Logik eines "Rationalen Menschen".

Wo ist der "Rational-Ökonomische Mensch"?

Der Ansatz des rationalen Menschen sagt im Grunde, dass mit dem Wissen aller Fakten immer so gehandelt wird, dass die wirtschaftlichen Interessen am Besten verfolgt werden können. Es wird also gehandelt, dass Angebot und Nachfrage ungefähr im Gleichgewicht bleiben. Wenn der Preis eines Gutes fällt, sollte also entweder die Nachfrage steigen oder die Produktionsmenge abnehmen.

Dies macht auch eine ganze Menge Sinn. Die chemische Industrie z.B. vergrößert die Kapazität wenn die Preise steigen, um die Nachfrage zu bedienen. Dies kann dazu führen, dass Überkapazitäten aufgebaut werden und die Kostenstruktur sich aufbläht. Wenn dieser Kreislauf voran schreitet, sind Unternehmen gezwungen Arbeiter zu entlassen und die Produktion wieder herunter zu fahren. Dies führt dann dazu, dass dieser Kreislauf sich wiederholen kann.

Eventuell taucht irgendwann dieser Rational-Ökonomische Mensch auf und beendet den Kreislauf. In der Zwischenzeit - bevor dieser selbstkorrigierende Prozess eintritt - verbreitet sich ein selbst-verstärkendes Verhalten, ein Verhalten welche zu Preisen führt, die weit vom Gleichgewichtspreis entfernt sind (entsprechend der ökonomischen Theorie).

Manchmal gibt es also eine Trennung zwischen Realität und ökonomischer Theorie und der Rational-Ökonomische Mensch existiert gar nicht.

Zum Beispiel beeinflussen Banken den Wert der Sicherheiten, wenn sie mehr Geld verleihen. In dem jüngsten Fall der Immobilienkrise, verstärkten die Hypothekenverbriefung mittels neuartiger Finanzprodukte den Preisanstieg. Ein ganz neuer Markt für diese Finanzprodukte tat sich auf und die Nachfrage stieg - daher wurde mehr verliehen um mehr verbriefte Finanzprodukte zu verkaufen. Einfachere Kredite führten zu einer höheren Nachfrage nach Immobilien. Dieser Kreislauf verstärkte sich eine ganze Zeit lang. Banken haben bis zu 100% der immer weiter steigenden Immobilienpreise als Darlehen gewährt (in manchen Fällen sogar noch mehr). Doch dieser Preisanstieg wurde ja erst durch die Ausweitung der Kreditvergabe erzeugt.

Dies ist das gleiche Konzept welche in nahezu jedem Auf- und Abschwung auftritt.

Die Ölindustrie verhält sich ähnlich. Interessanterweise hat es viele Analysten überrascht, was in den letzten 9 Monaten passiert ist. Als die Preise fielen erwarteten sie starke Einschnitte in der Produktion der kostenintensiven Shale-Förderer. Dies wäre vielleicht der Fall, wenn den Unternehmen das Geld ausginge. Doch interessanterweise produzieren sie immer mehr, solange sie Geld zur Verfügung haben - selbst wenn sie mit jedem Barrel Kapital vernichten. Im April 2015, sechs Monate nach dem Beginn des Preisverfalls war die Produktionsmenge auf einem Rekordhoch wie seit den 1970er Jahren nicht mehr:



Der ökonomischen Theorie zum Trotz, verfallen die Preise weiter, während die Produzenten verzweifelt versuchen ihre Produktion zu steigern um die Kosten zu decken und ihren Marktanteil zu halten. Dazu kommt die OPEC die versucht über eine gesteigerte Fördermenge die Haushaltsziele der Mitgliedsstaaten einzuhalten.

Interessanterweise genau das gleiche Verhalten wie im 1880er Oil Creek.

Selbst damals, oder besonders damals, schwangen die Ölpreise dramatisch rauf und runter, als das Angebot und die Nachfrage noch stark fluktuierte. Dieser Unsinn war sehr zum Erschrecken von Rockefeller, der sich mit seinem Raffinerie-Geschäft von beiden Seiten bedroht fühlte.

Es gibt eine faszinierende Geschichte über Rockefeller, als dieser den Rat seiner Direktoren zurückwies und versuchte das Irrationale Verhalten der Produzenten zu bekämpfen, die verzweifelt immer weiter bohrten in einem "race to the bottom" als die Preise weiter fielen. Er fing an jedes Barrel aufzukaufen, das gefördert wurde. Rockefeller sah sich gezwungen in die Ölförderung einzusteigen um mehr Kontrolle über die Fördermenge zu erlangen um diese abzustimmen auf die Menge an Kerosin die verkauft wurde.

Ob es nun die menschliche Natur ist oder die Natur des Öl-Business (wahrscheinlich beides), die Verleugnung der ökonomischen Logik wiederholt sich immer und immer wieder.

Gerade vor kurzem gab der Iran bekannt, seine Produktion zu verdoppeln, wenn die Sanktionen abgebaut würden - obwohl der Ölpreis sich seit dem letzten Jahr halbiert hat.

Währenddessen beginnt sich die Ölproduktion in den USA allmählich zu verlangsamen, dennoch wurde eine Rekordproduktion seit 1972 erreicht und Ökonomen können sich weltweit nur noch den Kopf kratzen über diese Entwicklung.

Das Öl-Geschäft ist ein hartes Geschäft - wie alle Rohostoffgeschäfte - und wer an guten Gelegenheiten interessiert ist sollte sich mit der Geschichte des Öls auskennen. Ob es nun Short-Möglichkeiten sind oder Investitionen in unterbewertete Unternehmen. Große Chancen sind vorhanden für alle jene die es sich trauen gierig zu sein, wenn alle anderen Angst haben.


Autor:

FREIENSTEINER - Das Journal für Geldanlage, Investment Und Freiheit. Kapital bilden und erhalten, nach den Grundsätzen der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Mehr...

 

© 2015-2018 FREIENSTEINER. All rights resevered. Designed by Templateism

|

Impressum

Back To Top